Fachtag „Lesekompetenz“ – Jugendliteratur für alle erfahrbar machen
Vom 17. bis 18. September fand in Erfurt der Fachtag Lesekompetenz der weiterführenden Schulen der Evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland St. Johannes statt.
Fachtage bieten Lehrkräften weiterführender Schulen die unmittelbare Anbindung an die Wissenschaft sowie den Austausch in Fachkreisen zwischen unseren Schulen. Dazu trafen sich im Erfurter Ratsgymnasium 23 Lehrerinnen für das Unterrichtsfach Deutsch. Gemeinsam gingen Sie der Frage nach, wie Kinder und Jugendliche heute lesen und wie es gelingen kann, Lesekompetenz zu fördern.
Der Impulsvortrag „Zwischen Hashtag und Hardcover“ von Professor Dr. Gerhard Lauer, von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, öffnete den Blick in die heutige Lesewelt von Kindern und Jugendlichen. Wissenschaftlich fundiert gelang es ihm, zu verdeutlichen, dass Kinder und Jugendliche ihren eigenen Weg in die Welt der Bücher gefunden haben. Dass es gelingen sollte, an dieser Erfahrungswelt anzuknüpfen, war die wichtigste und fachlich relevante Erkenntnis des Vortrags. Das sich daraus ergebende Spannungsfeld zwischen Anforderungen des Deutschunterrichts und der Leseerfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler wurde im Anschluss intensiv diskutiert.
„Deutlich wurde einmal mehr, dass wir alle, die wir im Umgang mit Kindern und Jugendlichen stehen, sensibel, achtsam und interessiert ihren Umgang mit Büchern respektieren und versuchen sollten, diesen ernst zu nehmen“, so Christine Giesa, Pädagogische Referentin der Evangelischen Schulstiftung, die den Tag maßgeblich initiierte und vorbereitete. „Dass Jugendliche dies mit der unmittelbaren Nutzung von Social Media tun, zeigt, dass sie sehr gut in der Lage sind, Wege zu finden, über ihre Leseerfahrungen zu reflektieren, in ihrer Community diese zu teilen und so zu Multiplikatoren im eigenen Mikrokosmos werden.“
In diesen Kulturwandel wies der Vortrag von Professor Dr. Gerhard Lauer überzeugend den Erkenntnisweg und untermauerte einmal mehr: außerunterrichtliches Lesen fördert die Lesekompetenz. Die verschiedenen Angebote für den Unterricht, die Lauer vorstellte, würden in Zukunft als Brücke zwischen "Hashtag und Hardcover" dienen und so die Erfahrung vom großen Leseglück in den Unterricht tragen.
Ein wichtiger Baustein des Fachtages bildete der gemeinsame Besuch der Ernst-Abbe-Stadtbibliothek in Jena. Besonders beeindruckt hat die Teilnehmende Frances Engel, Lehrerin, Journalistin und Bücherliebhaberin: „Die medienpädagogische Vielfalt: Von klassischen Büchern über digitale Medien bis hin zu kreativen Lernstationen – hier wird Medienkompetenz nicht nur gefördert, sondern auch gelebt. Sowie die ausgewiesenen Kinder- und Jugendbereiche: Diese sind nicht nur altersgerecht, sondern mit Liebe zum Detail gestaltet, wie z. B. durch die vielen, individuellen Buchempfehlungen von Jugendlichen. Genau so stellt man sich eine moderne (Jugend-) Bibliothek vor, die junge Menschen wirklich erreicht.“ Die Bibliothek zeige, wie effektives Lernen im 21. Jahrhundert wirklich aussehen kann: vernetzt, inspirierend und offen für alle.
„Lehrpersonen müssen kreativ sein, wenn sie alle Lernenden für das Lesen begeistern wollen“, so das Fazit von Dr. des. Simone Depner von der Universität in Hildesheim, die die Teilnehmenden am zweiten Veranstaltungstag begleitete.
An verschiedenen konkreten Beispielen erarbeitete Dr. Depner mit den Anwesenden moderne Zugänge zum Lesen und zur Beschäftigung mit dem Buch im Unterricht. Den Impulsen aus der Wissenschaft folgte in ihrem Workshop die Übersetzung in den Unterricht. Sie wies den Weg in muntere Diskussionen zum Textgegenstand und dessen Inhalt.
„Die Offenheit der erfahrenen Kolleginnen untereinander ließ die Beschäftigung mit den verschiedensten Verfahren für den Unterricht zu einem bunten Blumenstrauß werden“, so Giesa. „Die vielfältigen und qualitativ hochwertigen Angebote luden direkt zur Erprobung ein.“
Aus einem mitgebrachtem bunten Koffer voller Bücher entstand im Klassenraum eine Leseinsel von Jugendliteratur mit verschiedenen Büchern zum Anfassen und Hineinlesen. Dazu erhielten alle Anwesenden die Graphic Novel-Anthologie von Barbara Yelin, Miriam Libicki, Gilad Seliktar „Aber ich lebe – Vier Kinder überleben den Holocaust“. Diese verdeutlichte einmal mehr, dass Lesen im Deutschunterricht altersspezifisch auch der Demokratiebildung dienen kann.
Literatur nicht zu funktionalisieren, daran appellierte Frau Dr. S. Depner. Lehrkräfte sollten sich regelmäßig bewusst machen, welche Ziele sie in der Beschäftigung mit Literatur jeweils verfolgen. „Bücher sind und bleiben unser aller Schätze, weil Geschichten immer auch zur Persönlichkeitsbildung beitragen“, so Dr. Depner abschließend.
Dr. Christiane Schenk, Abteilungsleiterin Pädagogik und Schulentwicklung resümierte: „Ich freue mich, dass wir mit dem Format der Fachtage ein fundiertes Format für Austausch und Qualitätsentwicklung der weiterführenden Schulen gefunden haben.“
Der kommende Fachtag soll im Herbst 2026 in Eisenach zum Thema Übergangsmanagement stattfinden.