Geistlicher Impuls zum Schuljahresbeginn

Nicht weit von Paris entfernt erhebt sich über gelben Sonnenblumenfeldern eine der schönsten Kathedralen Europas, die Kathedrale von Chartres. Diese Kathedrale ist nicht nur wegen ihrer bunten Glasfenster berühmt, die das Innere der Kirche in ein mystisches Licht tauchen.

Für viele Menschen ist die Kathedrale auch aus einem weiteren Grund faszinierend: Dort, wo normalerweise der Altar steht, kam der Baumeister der Kathedrale vor mehr als 800 Jahren auf die Idee, ein riesiges Labyrinth aus schwarzen und grauen Steinplatten in den Boden einzulassen. 

Anders als in einem Irrgarten, in dem ich mich verlaufen kann, wo ich immer wieder in die ein oder andere Sackgasse gerate und vielleicht verzweifle, weil ich den Weg zum Ausgang nicht finde, kann ich in einem Labyrinth nicht falsch abbiegen. Der Weg führt mich vom Beginn immer weiter zur Mitte hin. 

Das Symbol des Labyrinthes hat durch die Jahrtausende die Menschen fasziniert. In dem Symbol steckt ein tieferer Sinn. Das Labyrinth ist ein Symbol für das Leben selbst, für das menschliche Suchen nach dem Sinn: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Was ist mir wichtig für mein Leben? Was gibt mir Halt? Das sind Fragen, die gerade im Religionsunterricht eine wichtige Rolle spielen. Diese Fragen stellen sich auch zu Beginn des neuen Schuljahrs. So kann dieses neue Schuljahr gut mit dem Gang durch ein Labyrinth verglichen werden.

Der Anfang des Schuljahres würde dem Start ins Labyrinth entsprechen. Ich stelle mir dabei vor, dass gerade die neuen Schülerinnen und Schüler ganz schön aufgeregt und voller Vorfreude sind. Aber auch die älteren Schülerinnen und Schülern, Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen werden mit einer großen Zahl von Fragen die ersten Schritte in das Labyrinth des neuen Schuljahres gehen. 

Hat das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres am Anfang nur wenige Kurven und geht gerade weiter, so dass die Mitte greifbar nahe scheint, so führt der Weg schon bald durch viele Biegungen und Krümmungen. Symbolisch stehen diese Kurven und Krümmungen dafür, dass wir in unserem Leben und auch in diesem neu beginnenden Schuljahr nicht alles planen können, weder unerwartete Herausforderungen noch freudige Überraschungen.

Das Besondere an dem Labyrinth von Chartres ist, dass dieses Labyrinth an ein Kreuz erinnert. Der Baumeister der Kathedrale von Chartres wollte damit zum Ausdruck bringen, dass für ihn der Glaube an Gott das ist, was ihn trägt, was ihn auf seinem Weg durch das Leben begleitet. Genau dieses Vertrauen, diese Hoffnung wollte er an alle Besucher der Kathedrale von Chartres weitergeben. 

Dieses Vertrauen und diese Hoffnung, dass wir auf unserem Weg durch das neuen Schuljahres, mit all seinen unerwarteten Kurven und Windungen von Gott begleitet werden, wünsche ich Ihnen. 

Heiko Ackermann, Schulseelsorger